Kart-Magazin erlebt elektrisierende Rennen in Genk 
Reporter Luca Köster im Rotax Project E20
Eine aufregende Erfahrung machte Kart-Magazin-Redakteur Luca Köster vom 22. bis 24. April im belgischen Genk. Im Rahmen der Rotax MAX Challenge Euro Trophy hatte der 24-jährige die Chance erstmalig hinter dem Lenkrad eines Elektrokarts zusitzen. Der aktive Kartfahrer folgte der Einladung von BRP-Rotax und ging im Project E20 in der Senior Kategorie an den Start. Über seine Eindrücke von der Rennstrecke, seine Meinung zum potenziellen Antriebskonzepts der Zukunft sowie das erfreuliche Ende seines Wochenendes berichtet er in einer persönlichen Hintergrundstory.
„Nach Gesprächen mit den Verantwortlichen von BRP-Rotax stellte sich Anfang April heraus: Beim Eröffnungsrennen der RMC Euro Trophy in Genk sollte ich die Möglichkeit eines Gaststarts im Project E20 bekommen. Lange Zeit zum Überlegen brauchte ich dazu nicht – sofort war klar, dass ich die Chance nutzen und mich in absolutes Neuland begeben möchte.
Seit mehr als zehn Jahren bin ich mittlerweile im Kartsport aktiv. Von der Viertakt-Klasse VT250 über IAME X30 und Rotax MAX Senior bis hin zum Start in der Rotax MAX Challenge Germany bei den Rotax DD2 in dieser Saison. Viele verschiedene Konzepte habe ich bereits auf der Strecke bewegt und im Renntrimm auf Herz und Niere getestet – ein elektrischer Antrieb war bis dato allerdings noch nicht dabei. Umso gespannter blickte ich meinem Einsatz in Genk entgegen.
Die größte Überraschung folgte in der ersten Trainingssitzung. Die Strecke in Genk kenne ich aus der Vergangenheit gut. Im letzten Jahr bin ich hier noch im Rahmen der RMC Euro Trophy bei den Senioren unterwegs gewesen. Neu war hingegen das Gefühl im Kart. Kein Motorsound. Keine Abgase. Kein Benzingeruch und kein Bangen im Vorstart, ob die Zündkerze gleich ihren Geist aufgibt oder den Motor doch zum Laufen bringt. Im Gegenzug hatte ich plötzlich eine komplett andere Wahrnehmung. Noch nie zuvor konnte ich hören, wie die Reifen in bestimmten Temperaturbereichen arbeiten oder wie der Wind auf der Geraden an meinem Helm vorbeizieht.
Doch noch beeindruckender als das, war die ab dem ersten Meter spürbare Power des Rotax Project E20-Karts. Aus der ersten Kurve heraus merkte ich direkt den größten Unterschied: Gegenüber dem sukzessive aufbauenden Leistungs- und Drehzahlband meines gewohnten Rotax DD2-Motors war die Leistungsentfaltung des E20 eine andere Welt. Jeder Gasimpuls wurde ohne Verzögerung in eindrucksvolle Beschleunigung umgesetzt und machte die knapp 200 Nm Drehmoment an der Hinterachse allgegenwärtig. Auch der Top-Speed war mit 135km/h mehr als beachtlich.
Meinen Fahrstil musste ich dem höheren Gewicht des Karts entsprechend anpassen. Insbesondere beim Anbremsen aus hohen Geschwindigkeiten haben sich die 220kg von Kart und mir definitiv bemerkbar gemacht – immerhin bin ich sonst ein fahrfertiges Gesamtgewicht von 175kg gewohnt. Nach und nach habe ich in den Trainingssessions dafür aber ein immer besseres Gefühl entwickelt und konnte immer schnellere Zeiten in den 1.360 Meter langen Asphalt brennen.
In den Rennen standen für mich die ersten stehenden Starts meiner Kart-Karrerie auf dem Programm. Was für eine Erfahrung! Mit dem geschickten Einsatz des Boost-Buttons, der für fünf Sekunden nochmals 4 kW Zusatzleistung freischaltet, ging es direkt richtig vorwärts. Dadurch zeigte sich auch im Renngeschehen eine weitere Neuerung. Über die reine Konzentration auf das Racing hinaus, stand plötzlich das Thema Rennstrategie mehr denn je im Fokus. Schnell merkte ich, dass ein gutes Timing für die Nutzung des Boost-Buttons zum entscheidenden Faktor werden kann.
Im Laufe der Zeit habe ich dafür ein immer besseres Gefühl bekommen und auf der Strecke zunehmend in den richtigen Rhythmus gefunden. Im Zeittraining und nach den Heats lag ich auf Position vier. In den Wertungsläufen habe ich dann aber alles auf den Punkt gebracht und zwei Siege eingefahren. Das Kart hat dabei tadellos funktioniert und stets volle Leistung abgeliefert.
Selten habe ich auch abseits der Strecke ein so entspanntes Rennwochenende erlebt. Nach den Turns lag der Fokus maßgeblich auf dem Laden der Batterien. Das Drumherum war absolut stressfrei und hat keinerlei Wartungsaufwand erfordert. Insbesondere im Zweitaktbereich ist das aus eigener Erfahrung keine Selbstverständlichkeit
Am Ende des Wochenendes habe ich mir selbst die Frage gestellt, was Kartsport und Rennen fahren für mich ausmacht. Hätte ich vor meiner Project E20-Erfahrung eine Antwort liefern müssen, wäre diese zugegebenermaßen eher mit großer Skepis gegenüber dem Elektrokart ausgefallen. Bisher dachte ich immer, dass es unter anderem Dinge wie Motorsound, die Vibrationen und die Emotionalität beim Fahren eines Verbrennerkarts sind.
Doch mein Project E20-Einsatz hat mir besseres gelehrt. Das Racing-Feeling war auch ohne all diese Einflussfaktoren hundertprozentig vorhanden. Mit der Möglichkeit des temporären Freischaltens der Extraleistung bekam die Rennaction auf der Strecke zusätzlich eine neue Dimension, die mir großen Spaß gemacht hat. Ich habe verstanden, dass die Zukunft des Motorsports definitiv auch im Elektrischen liegen kann. Technologieoffenheit ist dabei aus meiner Perspektive eines der größten Stichworte.
Für mich war es nicht das letzte Mal im E-Kart. Durch meinen Sieg an diesem Wochenende habe ich einen weiteren Start im Project E20 gewonnen und werde voraussichtlich beim Rennen der Rotax International Trophy in Le Mans an den Start gehen. Denn am Ende wurde mir klar: Wenn so das Konzept zukünftigen Motorsports aussehen soll, nehme ich alle meine anfänglichen Zweifel zurück und freue mich auf die bevorstehenden Entwicklungen.“