Leserbrief: Teilnehmerschwund in Nord- und Ostdeutschland
Seit einigen Jahren kämpfen vor allem die Rennserien in Nord- und Ostdeutschland um jeden Teilnehmer. Die Gründe dafür sind weitreichend. Wir haben dazu einen interessanten und auch teilweise kritischen Leserbrief von Dietmar Henke erhalten.
Liebe Kart-Magazin-Leser,
vorweg kann ich aus Erfahrung erst einmal sagen, dass Emotionen und das Gefühl, durch irgendwelche Umstände benachteiligt worden zu sein, zum Kartsport dazu gehören. Wir sind in verschiedenen Rennserien gestartet und diese Erfahrung macht man überall. Dieses ist sicherlich nicht der Grund, warum die OKC mit rückläufigen Teilnehmerzahlen zu kämpfen hat. In diesem Zusammenhang muss man sagen, dass alle Serien in Nord- und Ostdeutschland zu wenige Teilnehmer verzeichnen.
In meinen Augen ist ein Faktor die digitale Generation. Computerspiele bieten den Kindern viel Faszination und ist für die Eltern viel günstiger. Wenn die Kinder zu Hause vor dem Bildschirm Rennen fahren können, warum dann noch zur Kartbahn gehen und für 10 Minuten Leihkart 12 Euro bezahlen? Diese Entwicklung kann man kaum beeinflussen, sondern man muss das vorhandene Potential pflegen und durch attraktiven Kartsport evtl. wieder vergrößern.
Um Eltern und Kinder für den Kartsport zu begeistern, müssen diese durch z.B. intensive Vereinsarbeit an diesen Sport heran geführt werden. Traditionell funktioniert das in West- und Süddeutschland sehr gut. In unserer Region eher nicht. Wenn wir zum Training oder zum Spaß auf die Kartbahn gehen, begegnet uns viel Neugier und auch Interesse. Nach der Technik werden wir auch gleich zu den Kosten gefragt. Dann folgt meistens ein schockierter Blick und der Gedanke, sein Kind Rennen fahren zu lassen, ist sofort wieder verflogen.
Seit 2010 betreiben wir aktiven Kartsport. Die Saisonkosten sind für normal arbeitende Eltern kaum zu stemmen und schnell erwächst die Erfahrung, dass Erfolg auch etwas mit Geld zu tun hat. Ich habe junge Talente gesehen, die mit schlechterem Material kämpften und nach einer Saison wieder aufgaben. Selbst im Bambini-Bereich werden für gute Motoren im Verleih satte Summen aufgerufen. Dieses betrifft sicherlich nicht direkt die OKC. Trotzdem fahren 8 – 10 jährige Kinder eher Kart, weil die Eltern dahinterstehen und es wollen.
In meinen Augen fehlt eine Alternative, die für Normalverdiener und Kinder von 10 – 16 Jahren den Kartsport erlebbar machen. Wir sind 2 Jahre World Formula mit guten Starterzahlen im NAKC gefahren. Ein neuer Motor kostete 1100 Euro und es gab spezielle World Formula-Chassis für ca. 2500 Euro. Wie schnell eine erfolgreiche Geschichte sterben kann, sahen wir, als es 2012 große Querelen bezüglich eines angeblich betrügerischem Motortuning bei verschiedenen Teilnehmern beim Bundesendlauf gab. Plötzlich wollte im NAKC niemand mehr World Formula fahren. Im WAKC ist es immer noch eine sehr erfolgreiche Geschichte.
Wenn wir einmal einen Blick nach Holland und Belgien werfen, so ist der RK1-Motor eine absolute Erfolgsstory. Ein moderner 4-Takter mit 15PS (ca. 1500 Euro) oder 19 PS (ca. 2000 Euro) mit langen Wartungsintervallen und Werksverplombung sorgt für volle Starterfelder von 30 Fahrern. In einer Serie wie der OKC ließe sich sicherlich mit diesem Motor 1 – 2 Jahre ohne größere Revisionskosten fahren.
Zur Saison 2013 kauften wir uns einen Rotax Junior-Motor und hatten eigentlich die Absicht, in der OKC zu starten. Als wir aber kaum eine Handvoll Starter sahen, entschieden wir uns für die X30-Junioren im NAKC. Gern wären wir trotzdem das eine oder andere Rennen in der OKC gestartet. Was sollten wir aber mit dem X30 in der OKC? Verschiedene Motoren und verschiedene Reifen bei den Serien waren uns zu aufwendig und so verzichteten wir ganz auf die OKC.
Der NAKC hatte seit 2010 ebenfalls sehr stark mit rückläufigen Starterzahlen zu kämpfen. So schloss man sich 2014 mit dem OAKC zusammen und fuhr ein Teil der Rennen gemeinsam. Die OKC ging 2015 mit der NKC den gleichen Weg und trotzdem sind die Starterzahlen nicht befriedigend.
Insgesamt haben ca. 150 momentan aktive Kartfahrer vier Serien in Nord- und Ostdeutschland zur Auswahl und wahrscheinlich fast genauso viele Verantwortliche und Organisatoren. Grabenkämpfe zwischen dem ADAC und dem DMV verhinderten wohl in der Vergangenheit oder heute noch eine Zusammenarbeit.
Schauen wir uns das Beispiel RMKC, BWKC und Vega-Trophy an. Dort wurden durch Annelie und Michael Weichert, der leider im vergangenen Jahr durch einen tragischen Unfall starb, erfolgreich Rotax und X30 unter dem Dach des ACV zusammen gebracht.
Als Fazit sehe ich zwei Auswege aus dem Dilemma. Zum einen fehlt eine kostengünstige Alternative für den Kartsport mit einem Budget für die breite Masse. Vor Jahren gab es eine Karttrophy mit verplombten Honda-Motoren. Auch dieses wäre eine kostengünstige Einstiegsalternative, da diese Motoren durch den Kartslalomsport und Hobbykartsport zur Verfügung stehen. So könnte man an einem Rennwochenende zusätzlich einen Kartslalom-Wettbewerb durchführen, um Kartslalom-Fahrer für den Rundstreckenkartsport zu interessieren. Wenn sich dann alle verantwortlichen Organisatoren der verschiedenen Serien auch noch auf gemeinsame Termine einigen könnten, hätten wir super Kartwochenenden mit vollen Starterfeldern.
Es ist in meinen Augen eigentlich ganz einfach. Kleinstaaterei überwinden, kostengünstige Kartklassen anbieten und die Konkurrenz zwischen Rotax und X30 überwinden. Wo liegen also die Probleme? Nicht hauptsächlich bei momentan zu wenigen potentiellen Kartfahrern in Nord- und Ostdeutschland, sondern in den einzelnen verschiedenen Interessen der Hersteller, Händler, Organisatoren und Teams, die sich um 150 Fahrer streiten.
Sportliche Grüße Dietmar Henke
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